5 – Ich beisse niemanden, schon gar nicht, wenn der einen schweren Rucksack zu tragen hat
Also wenn ich das gewusst hätte! Ich musste wieder eine Tollwutimpfung machen lassen! Dabei habe ich hoch und heilig versprochen, dass ich niemanden beissen werde!
Aber Sibylle hat mich trotzdem zum Tierarzt gebracht und der hat mich gepigst.
Also wenn ich ehrlich bin, dann war das eigentlich nicht so schlimm…
Ich habe nämlich schon so einiges überlebt. Ich wurde in einer Kartonschachtel gefunden, an einer Autobahn in Sizilien, zusammen mit meinen fünf Geschwistern. Wir waren lange in diesem Karton und leider sind dabei vier meiner Geschwister gestorben… Mein Bruder und ich haben überlebt und Menschen vom Tierschutz haben uns aufgepäppelt. Zusammen mit meinem Bruder kam ich dann in die Schweiz, zu einer wirklich tollen Familie! Mein damaliges Herrchen und mein Frauchen haben mich und meinen Bruder sehr geliebt und mit den Kindern konnten wir so toll spielen!
Leider wurde Herrchen krank und mein Bruder und ich mussten die Familie verlassen.
Mein Bruder fand sehr schnell ein neues Zuhause, aber ich blieb leider fast ein Jahr im Tierheim. Einmal durfte ich für einige Wochen zu einer Familie, aber das hat nicht gepasst und darum musste ich wieder zurück ins Tierheim. Ich möchte mich natürlich nicht beklagen, ich hatte es gut im Tierheim. Aber ein Sofa mit meinen Menschen und Zora teilen zu können, das ist schon unglaublich toll!
Das mit dem Stacheldraht habe ich euch ja schon erzählt, das habe ich ja auch überlebt. Und wenn ich abgehauen bin und 2 Stunden nicht zurückgekommen bin; auch das habe ich überlebt. Wahrscheinlich besser als Sibylle und Stefan, die sich in dieser Zeit natürlich grosse Sorgen gemacht haben.
Aber ich konzentriere mich viel lieber auf die tollen und positiven Dinge. Gestern zum Beispiel haben Zora und Sibylle und ich lange gespielt und das Wetter war so schön!
Zora und ich haben „sitz“ gemacht und mussten „warten“ und Sibylle lies sogar meine Schleppleine los und lief weit, weit weg! Bestimmt 30m! Wir mussten immer noch warten und als dann der Pfiff ertönte, rannten Zora und ich so schnell wir konnten zu Sibylle und zur Leberwurst-Tube, hach, wie fein die doch ist!
Also früher wäre ich sofort davon gelaufen. Oft habe ich versucht die Leine kaputt zu machen, was mir auch oft gelang. Ich rannte einfach immer wieder so stark in die Leine, bis irgendwann die Leine riss oder der Karabiner zerbrach oder Sibylle stürzte und dann manchmal die Leine loslassen musste.
Jaaa, das war keine Glanzleistung von mir, ich weiss, aber hätte ich mich damals anders Verhalten können, dann hätte ich das natürlich getan.
Sibylle sagt, dass all unsere Erfahrungen und Erlebnisse uns zu dem Lebewesen machen, welches wir heute sind. Und ein Erlebnis von heute macht uns zu dem Lebewesen, was wir morgen sein werden. Wir verändern uns Tag für Tag, machen Fortschritte und auch wieder Rückschritte, erleben gute und manchmal auch negative Dinge. Wichtig sei, dass man alle Lebewesen dort abholt, wo sie aktuell stehen und dann versucht zusammen weiter zu gehen, in dem Tempo, welches in dem Moment möglich ist. Sibylle sagt, man muss nicht wissen wieso ein Lebewesen ist wie es ist, manchmal spürt man einfach, dass da etwas ist oder war und dann sei es wichtig, dass man Rücksicht nimmt auf den, der einen schweren Rucksack zu tragen hat.
Jedes Lebewesen ist anders und jedes Lebewesen reagiert anders auf Ereignisse. Leider seien heute viele Menschen nur noch auf ihre Erfahrungen fixiert und hätten kein Verständnis mehr, wenn jemand nicht in dem Tempo weitergehen kann, was für andere «normal» wäre, sagt Sibylle.
Hmmm… das wurde nun doch ein etwas trauriger Beitrag.
Darum möchte ich euch noch ein Video zeigen, wie gut Zora und ich «sitzen-warten-rennen» können!
Das macht gleich wieder gute Laune!